Bessere Ökologie und Ökonomie mit neuer Strahlanlage

Energie- und zeitintensive Prozesse in Gießereien stellen die dringlichsten Optimie­rungspotenziale dar. Der Strahlprozess steht dabei oft nicht im Fokus, obwohl neue Anlagen den gesamten Ablauf deutlich effizienter gestalten können. Bei Stolle in Bonn hat man sich gegen einen Retrofit entschieden und eine neue Rollbahn-Strahlanlage entwickeln lassen.

Mit einem Touchpen nimmt Gieße­reileiter Florian Lorenz, die letz­ten Einstellungen am Bedienpanel der Strahlanlage vor, während eine tonnenschwere Gussplatte langsam auf das Förderband abgelassen wird. Der Mit­arbeiter ist konzentriert, um das Guss­stück millimetergenau zu positionieren. Die Platte soll in wenigen Minuten zeigen, dass der Strahlprozess in der Gießerei nun deutlich effizienter und präziser abläuft als in den vergangenen Jahrzehnten. Zur Einweihung der Anlage ist nicht nur der Chef Martin Stolle vor Ort, sondern auch AGTOS – als Hersteller der Anlage – ist mit einem Kamerateam angereist, um den be­sonderen Moment festzuhalten.

Die bis zu 25 Tonnen schweren Bau­ teile entstehen hier in der Bonner Gieße­ rei Wilhelm Stolle GmbH, die sich auf den Sondermaschinenbau spezialisiert hat. Die Präzisionsteile finden später ihren Weg in die Automobilindustrie, den Ma­ schinenbau oder werden in der Mess- und Prüftechnik eingesetzt. Dabei blickt das Unternehmen im kommenden Jahr auf eine 125-jährige Firmengeschichte an den Standorten Bonn Bad-Godesberg und-Beuel zurück. Insgesamt knapp 120 Mit­ arbeiter und Mitarbeiterinnen sorgen hier dafür, dass die Bauteile später weltweit zum Einsatz kommen.

Für Besucher ist es ein ungewöhnlicher Anblick, der sich in der Maschinenhalle bietet. "Gussteile werden ja beispielswei­ se mit Durchlaufhängebahn-Strahlanlagen und anderen Maschinentypen bearbeitet", so Ulf Kapitza, Head of Business Develop­ ment & Marketing bei AGTOS. "Hier bei Stolle hat man sich für eine Rollbahn­ Strahlanlage entschieden und das ist auch für uns etwas Besonderes". Die Maschine nimmt gut ein Viertel der Hallenfläche ein und kann praktisch von einer Person be­dient werden. Nachgelagert befindet sich hier auch die Qualitätssicherung, um die gestrahlten Teile vor der weiteren Bearbei­tung genau zu prüfen.

Retrofit lohnte sich nicht

"Wir hatten vorher eine Rollbahn-Strahl­anlage, die allerdings schon knapp 35 Jah­re alt war", erklärt Geschäftsführer Martin Stolle. Die Bauweise ähnelte damals schon der neuen AGTOS-Anlage und wur­de speziell für die Bedürfnisse der Gieße­rei entwickelt, da die besonderen Bautei­le auch ein individuelles Anlagendesign notwendig machten. "Für die damaligen Verhältnisse lieferte die Anlage sehr gute Ergebnisse. Man muss aber wissen, dass vorher alles von Hand abgebürstet wurde. Die Zeitersparnis durch die Strahlanlage war deutlich spürbar". Die alte Maschine konnte die Bauteile allerdings in einem Durchlauf nicht ausreichend abreinigen und so musste der Prozess drei- bis vier­mal durchgeführt werden.

"Ganz ohne Manpower kam die Anlage zudem nicht aus, denn nach dem Strahlvorgang muss­te das Strahlmittel händisch durch die Mit­ arbeiter entfernt werden, was teilweise nur mit Schaufeln möglich war", ergänzt Stolle. "Nach über dreißig Jahren Laufzeit war es dann so weit, langsam über eine Neuanschaffung nachzudenken. Ein Retrofit wäre zwar möglich gewesen, aller­dings hätten wir trotzdem kein besseres Strahlergebnis erzielt. Zudem haben sich in den vergangenen Dekaden unsere Qua­litätsansprüche und die unserer Kunden deutlich weiterentwickelt. Daher war es Zeit für eine neue Anlage".

Ökologie und Ökonomie standen im Fokus

Die neu installierte Rollbahn-Strahlanlage von AGTOS ist speziell auf das Entsanden der Maschinenbetten und -tische ausge­legt und ist in der Lage den hohen Sand­anteil in kurzer Zeit zu bewältigen. Die Teile können dabei eine maximale Bema­ßung von 8000 x 3200 x 1000 mm (L x B x H) aufweisen. Die Anlage ist so konzi­piert, dass die Werkstücke oben glatt und unten in verschiedenen geometrischen Konturen geschnitten sein können. "Die Geometrien und Taschen der Werkstücke sind an der Unterseite", erklärt Kapitza.

"Daher befindet sich unter der Anlage ein begehbares Fundament, das viele Anla­ genteile beherbergt. Zudem sind hier auch acht der insgesamt zwölf Turbinen zu fin­den. Sie sorgen für das präzise Strahler­gebnis bei den komplexen Werkstücken".

"Die neue Anlage macht das alles voll­ automatisch", erklärt Stolle. "Vor allem reicht nun bei 99 Prozent unserer Teile ein einziger Strahlvorgang aus". Das spart Zeit, Energie und Personal. "Selbstver­ständlich gibt es spezielle Sonderteile, die durch ihre Geometrien ein zweites Mal durch die Anlage fahren müssen – trotz­dem ist es kein Vergleich zu vorher".

Arbeitsweise der Rollbahn­ Strahlanlage

Die Werkstücke werden mittels eines Hallenkrans auf der Rollbahn positioniert. Nach dem Start des Rollgangs betätigen die Werkstücke den vor der Einlaufschleu­se angeordneten Sensor zur automati­schen Strahlmittelzufuhr zu den laufenden Hochleistungsturbinen. Hierdurch wird sichergestellt, dass nur gestrahlt wird, wenn sich Werkstücke im Strahlbereich befinden. Während des Durchlaufs wer­ den die Werkstücke an allen für die Strahl­anlage erreichbaren Stellen gestrahlt. Die Anlage ist mit einem effektiven Schall­schutz ausgestattet, damit außerhalb nur ein Schalldruckpegel von ca. 85 dB(A) ent­steht. Die Einlaufschleuse ist zur Abdich­tung mit verschleißfesten Gummivorhän­gen ausgestattet. Die Abdichtung von unten erfolgt durch Gummiabdichtungen.

Das Strahlmittel wird mit einer angetrie­benen Bürste entfernt und Staubreste werden mit einem Hochleistungsgebläse von den Gussteilen geblasen. Das Strahl­mittel wird zur kontinuierlichen Nutzung im Umlauf gehalten und gereinigt. Über die Strahlmitteldosiereinrichtung gelangt das gereinigte Strahlmittel vom Strahlmit­telbunker zu den Hochleistungsturbinen.

Charakteristik der installierten Turbinen

  1. Anzahl: 12 Stück
  2. Durchmesser: 350 mm
  3. Schaufelanzahl: 6 Stück
  4. Antriebsleistung pro Turbine: 11 kW

Charakteristik der installierten Filteranlage

  1. Typ: 2x AGTOS PF 4b-32-NO-05-AB
  2. Volumenleitung: 24 000 m3/h
  3. Filterfläche: 256 m2
  4. Reststaubgehalt mit Nachfilter: 5 0, 15 mg/Nm3

Gegenüber gießereitypischen Anlagen hat die AGTOS-Strahlanlage einige Beson­derheiten weiß Kapitza zu berichten: "Bei der Trennung von Sand und Strahlmittel wird in Gießereien normalerweise ein Ma­gnet-Windsichter eingebaut. In diesem Projekt war das aber vom. Kunden nicht gewünscht, daher haben wir eine normale Windsichtung verbaut und führen das Strahlmittel durch einen Bypass mehrfach durch die Windsichtung". Für AGTOS stel­len solche speziellen Kundenwünsche kein Problem dar.

"Wir sehen uns da auch ein Stückweit als Sonderanlagenhersteller und berücksichtigen individuelle Spezifikatio­nen in der Projektphase". Florian Lorenz ergänzt: "Aufgrund intensiver Beratung in der Projektphase hatten wir nur wenige Änderungen im Nachhinein. Kleine Fragen konnten wir sehr gut lösen. Wir sind kom­plett im Zeitplan geblieben. Die Zusam­menarbeit war auch hier wieder sehr gut. Als wir Einstellarbeiten hatten, konnten wir schnell auf die AGTOS-Monteure zugreifen. Innerhalb weniger Stunden war es mög­lich, dass jemand bei uns war und uns hel­fen konnte Prozesse einzustellen, oder die Strahlqualität noch zu optimieren." Mit der neuen Anlage hat das Bonner Unternehmen einen wichtigen Baustein in der energie- und zeitaufwendigen Pro­zesskette modernisiert und sieht sich nun flexibel aufgestellt. "Ich könnte mir vor­stellen, zukünftig auch Strahlstunden für Kunden anzubieten, die dann ihre großen Teile aus Stahl oder Guss direkt bei uns bearbeiten lassen können", so Stolles Überlegung. "Hierdurch könnten wir die Anlage noch wirtschaftlicher betreiben".

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